GERD SCHOLL MEETS PATER GERD

16. Februar 2022

FOTO: SIBYLLE BAIER

Im realen Leben ist Dr. Gerd Scholl Berater für nachhaltiges Wirtschaften. Bei der CARBONALE ist er Pater Gerd, Beichtvater und Versteher im sogenannten „Carbon Confession Room“ – und jetzt schon eine Legende. Für uns schafft Gerd Scholl den kognitiven Spagat, sein alter ego Pater Gerd zu interviewen. 

Hallo Pater Gerd, Sie sind Beichtvater, aber nicht in der Kirche, sondern auf der CARBONALE. Was tun sie denn da so?
Der Carbon Confession Room ist ein Ort, an dem Menschen ihre Klimasünden, sagen wir mal: beichten können. Ich lade sie ein, ihre alltäglichen Verfehlungen, wenn es um Klimaschutz geht, mit mir zu teilen. Ich höre vor allem zu und gebe Rückmeldung zu dem, was ich höre, stelle aber auch Fragen – nach den Ursachen für dieses Verhalten, nach den Bedürfnissen dahinter oder nach den Bereichen im Leben, in denen ihnen klimafreundliches Verhalten gut gelingt.

Sie gehen also davon aus, dass niemand perfekt ist?
Natürlich. Wir sind, bei aller Ambition, eben unzulänglich. Und gleichzeitig schaffen wir als Gesellschaft Klimaneutralität nur dann, wenn jeder und jede einen Beitrag leistet. Das ist ein Dilemma. Darüber muss man reden.

Was wird Ihnen an Geständnissen denn so aufgetischt?
Da geht es meist um die Situationen im Alltag, in denen die Menschen ihren eigenen, hohen Ansprüchen nach einer klimagerechten Lebensweise nicht gerecht werden: der Kurzurlaub in New York, die Spritztour im gemieteten Cabrio oder die Verwendung von Einweg- statt Mehrwegwindeln. Einer hat beispielsweise erzählt, dass er sich, wenn er vom Büro nach Hause kommt, erstmal vor den offenen Kühlschrank stellt, minutenlang hineinstarrt und den Kopf kühlt. Er brauche das zum Runterkommen. Das ist schon originell, oder? Er sei danach besser drauf und auch für seine Familie ein angenehmerer Zeitgenosse. Er habe dann allerdings ein schlechtes Gewissen wegen des Stromverbrauchs.

OK, aber wird da der Blick nicht zu sehr auf das Individuum gerichtet? Es wirkt auf mich so, als würden Sie vor allem die Menschen, als Bürgerinnen und Bürger oder als Konsumentinnen und Konsumenten, für mangelnden Klimaschutz verantwortlich machen.
Weit gefehlt! Die Botschaft ist ja nicht: Ändere Dein Verhalten und alles wird gut! Im Gegenteil: Wir wollen deutlich machen, dass die Unzulänglichkeit der Normalfall ist und dass man damit eben nicht allein ist. Und das hat Gründe. Denn solange Fliegen so billig ist, wird gerne geflogen. So lange man zur Miete in einem Altbau wohnt, wird man für ein Elektroauto kaum eine eigene Ladestation bekommen. Und solange die Innenstädte vor allem autofreundlich gestaltet sind, werden nur wenige Menschen aufs Rad umsteigen.

Da fällt mir Theodor W. Adornos Diktum ein „Es gibt kein richtiges Leben im falschen”. Es geht also um die systemische Perspektive?
Genau, es geht darum, zum einen den Blick auf die größeren, strukturellen Zusammenhänge zu lenken. Zum anderen freuen wir uns natürlich, wenn wir durch das Gespräch auch für den einzelnen Menschen neue Perspektiven für klimafreundliches Verhalten eröffnen können. Letztlich wollen wir aber Verbundenheit schaffen. Denn nur gemeinsam können wir falsche Strukturen richtiger machen.
 

PS: Wenn es Euch reizt, Pater Gerd mit Eurem Geständnis zu schocken, schreibt uns gerne ein paar Zeilen der Unzulänglichkeit an hallo@carbonale.com – oder kommt am 2. Juli 2022 in den Carbon Confession Room auf der CARBONALE! 

Lust auf mehr CARBONALE? Kommt zum CARBONALE-Festival!

Zurück
Zurück

JACKIE UND DER FÖRSTER